Presseaussendungen
Kindergarten – Elementarbildung wird in der Krise auch digital
Die Studienleitungen "Elementarpädagogik/Elementarbildung" an Österreichs Pädagogischen Hochschulen sind in einer Studie unter der Leitung von HS-Prof. Dr. Bernhard Koch der Pädagogischen Hochschule Steiermark der Frage nachgegangen, wie das elementarpädagogische Personal bei Kindergartenschließung Beziehungs- und Bildungsarbeit leistet und Kontakte mit Familien und Kindern aufrecht erhält.
Wie bei den Schulen können auch die Schließungen der Kindergärten zu Bildungs- und Entwicklungsrückständen führen und Beziehungen beeinträchtigen, warnt Elementarpädagogik-Experte Bernhard Koch von der Pädagogischen Hochschule Steiermark. Als Folge der Coronakrise setze man nun auch in der Elementarbildung auf neue Wege, um mit den Kindern in Kontakt zu bleiben – auch auf digitale.
Wie Beziehungspflege und Bildungsarbeit aussehen kann, wenn sie nicht wie sonst im Kindergarten üblich spielerisch in Alltagsaktivitäten eingebettet wird, zeigt eine von Koch initiierte Beispielsammlung. 150 Kindergartenleitungen und Studierende von Elementarpädagogik-Bachelorstudien an den Hochschulen (alle Bundesländer außer Tirol und Vorarlberg) wurden dafür in den ersten drei Wochen nach dem Shutdown befragt.
Unterschiedliche KommunikationswegeZum Einsatz kommen die unterschiedlichsten Kommunikationswege und Medien. Über Postkarten, individuelle Briefe, Telefonate und diverse digitale Kanäle wird Kontakt gehalten. Per Paket, über soziale Medien oder digitale Plattformen werden die Kinder mit Materialien versorgt – von Ausmalbildern bis zu Spielideen und speziellen Übungsmappen für die Kinder im letzten Kindergartenjahr.
In dem Bericht ist die Rede von wöchentlichen Newslettern, Whatsapp Broadcast, selbstentworfenen Zeitungen, Videos von Vorlesestunden und Videokonferenzen. Die Pädagogin eines "Brennpunkt-Kindergartens" berichtet von einer täglichen Selfie-Challenge, um zu sehen, ob die Kinder "soweit 'in Ordnung' aussehen". Bei alldem geht es beim "Home-Preschooling" Koch zufolge "manchmal mehr um Beziehungspflege, manchmal mehr um Bildungsarbeit".
Manche der Pädagoginnen – weniger als fünf Prozent der Mitarbeiter an Kindergärten sind Männer – haben laut der Studie vom ersten Tag an trotz der Schließungen den Kontakt zu Kindern und Eltern über alternative Wege gepflegt, andere erst nach ein oder zwei Wochen. Koch geht hier von einem Stadt-Land-Gefälle aus, da im Dorf die Kontakte zu Eltern und Kindern enger seien. Teils wurden die befragten Pädagoginnen selbst aktiv, teils auf Weisung der Leitung oder des Kindergartenträgers.
Für Koch zeigt die Sammlung "eine beeindruckende Innovationskraft", klar sei aber auch: "Noch haben nicht alle Pädagoginnen und Pädagogen Hemmnisse und Unsicherheiten bei dieser neuen Art der Kontaktpflege zu Familien und Kindern überwunden." Rund 20 Prozent der Befragten haben bei der Befragung angegeben, sie hätten in den ersten drei Wochen kaum Kontakt zu Kindern und Eltern gehabt.
"Blinder Fleck" vorschulische BildungDie vorschulische Bildung sei in der Coronakrise ein "blinder Fleck", kritisiert Raphaela Keller, Sprecherin des Österreichischen Berufsverbands der Kindergarten-und HortpädagogInnen (ÖDKH), im Gespräch mit der APA. Einheitliche Regelungen, wie Kindergärten und Krippen mit Kindern und Eltern in Verbindung bleiben und ob sie Bildungsangebote machen sollen, fehlten komplett. Die Folge: "Es ist abhängig vom Kindergarten und der Pädagogin, ob es Angebote gibt."
Besonders tragisch sei das bei Kindern mit einer anderen Erstsprache als Deutsch. "Wenn es keinen wirklichen Kontakt zur deutschen Sprache gibt, kann das zu massiven Rückschritten führen. Manche müssen dann wieder bei Null anfangen." Bei entsprechender technischer Ausstattung wäre es machbar und absolut sinnvoll, dass Pädagoginnen etwa eine halbe Stunde pro Tag mit den Kindern Deutsch sprechen und ihnen kleine Anregungen geben, sagt Keller. Allerdings fehle den Pädagoginnen die technische Ausstattung, derzeit müssten sie dabei auf ihre Privathandys und -Laptops zurückgreifen.
Auch für die Kinder im letzten Kindergartenjahr, dessen Besuch wegen der Coronakrise nicht mehr verpflichtend ist, können die Folgen der Schließungen laut Keller besonders weitreichend sein. In diesem Jahr gehe es vor allem darum, sich gut auf Deutsch ausdrücken zu lernen, konkrete Aufträge zu erledigen, zu kommunizieren - Fähigkeiten, die dann beim Übertritt in die Volksschule so manchem Kind fehlten.
"Da muss auf jeden Fall etwas passieren", fordert Keller. Neben technischer Ausstattung der Pädagoginnen wünscht sie sich ein allgemeines Paket für die Kinder und Familien etwa mit Übungsblättern zur Förderung der Feinmotorik. Ideal wären aus ihrer Sicht Videokonferenzen. "Manche werden wir nicht erreichen. Aber wo es möglich ist, wäre das schön."