30.10.2024
Studierenden-Sozialerhebung 2023
Situation von Studierenden in Österreich erfasst
30. Oktober 2024 – Seit den 1970er Jahren wird die Situation der Studierenden regelmäßig durch die Studierenden-Sozialerhebung (SOLA) erhoben. 2023 wurde sie neuerlich vom Institut für Höhere Studien (IHS) durchgeführt. Das sind ihre wichtigsten Ergebnisse:
1. Heterogenität bei Studierenden, hohe Durchlässigkeit des Hochschulsystems:
- Relativ konstante Studierendenzahlen: Während der Corona-Pandemie gab es einen deutlichen Anstieg, der aber mittlerweile wieder (leicht) rückläufig ist. Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich auch bei den Studienanfängerinnen und -anfängern.
- Etwas höheres Durchschnittsalter: Das Alter der Studierenden in Österreich liegt durchschnittlich bei 27,1 Jahren (2019/20: Ø 26,9 Jahre), bei Studienanfängerinnen und -anfängern im Durchschnitt bei 21,6 Jahren (2019: Ø 22,3 Jahre).
- Es studieren mehr Frauen als Männer: 56% der Studierenden sind Frauen (WS 2019/20 55%), 44% Männer; deutliche Geschlechterunterschiede in bestimmten Studiengruppen: besonders hoher Frauenanteil in den Bildungswissenschaften (85%), Gesundheit/Sozialwesen (80%), Pharmazie (76%); geringer Frauenanteil in Ingenieurwesen (32%) und Informatik (22%), der aber langsam ansteigt (Frauenanteil in Informatik 2017/18: 18%).
- Etwas mehr Studierende mit Migrationshintergrund: Verglichen mit 2019 ist der Anteil der Bildungsausländerinnen und -ausländer (Schulbildung im Ausland) leicht (2%-Punkte) gestiegen (25%). Von den 75% Bildungsinländerinnen und Bildungsinländern weist jede bzw. jeder Zehnte Migrationshintergrund auf.
- Bildungsinländerinnen und Bildungsinländer mit Migrationshintergrund haben ihre Wurzeln in Bosnien und Herzegowina, Serbien, Kroatien, dem Kosovo, Slowenien, Nord-Mazedonien und Montenegro sowie deutschsprachigen Ländern und der Türkei.
- Relativ viele First Generation Studierende: 57% der inländischen Studienanfängerinnen und Studienanfänger an öffentlichen Universitäten und Fachhochschulen im Wintersemester 2022/23 sind „First-Generation“- Studierende. Das heißt ihre Eltern haben kein Studium an einer Hochschule oder Akademie absolviert. Fast zwei Drittel (65%) der Studierenden an Fachhochschulen und etwas weniger drei Viertel (72%) in berufsbegleitenden FH-Studiengängen (72%) sind First Generation Studierende.
- Gemischter Bildungshintergrund der Eltern: Dennoch hat die Mehrheit der Studierenden (69%) (Bildungsinländerinnen und -inländer) Eltern mit mindestens einer Matura (26% Matura, Hochschulabschluss 20%), nur knapp ein Drittel (31%) hat Eltern ohne Matura. Ältere Studierende und Studierende mit verzögertem Studienbeginn haben eher Eltern ohne Matura bzw. mit niedrigerer formaler Bildung. Die Rekrutierungswahrscheinlichkeit für eine Person, deren Vater mindestens Matura hat, ist 2,5-mal so hoch wie für jene, deren Vater keine Matura hat. Sie blieb damit unverändert.
- Matura als häufigster Weg an die Hochschule, aber: Knapp 90% der Studienanfängerinnen und Studienanfänger kommen nach traditioneller Matura (50% AHS, 39% BHS), 10% über zweiten Bildungsweg (BRP/SBP, etc.) an die Hochschule – diese wählen eher Lehramtsstudien an einer Pädagogischen Hochschule oder berufsbegleitende FH-Studiengänge. Dennoch kommen 23% verzögert an die Hochschule (frühestens zwei Jahre nach Schulabschluss). Sie sind daher auch älter (im Schnitt um sieben Jahre), häufiger Männer, haben häufiger Eltern ohne Matura, studieren häufiger an Fachhochschulen und waren großteils (72%) vor ihrem Studium regulär erwerbstätig.
- Geschätzte Hochschulzugangsquote: Rund 40% (Frauen 47% vs. 33% Männer) der österreichischen Bevölkerung nehmen im Laufe ihres Lebens ein Studium auf, der Wert ist über die Jahre konstant. Allerdings gibt es starke regionale Unterschiede.
2. Höhere Erwerbstätigkeit der Studierenden, aber auch höhere Studienförderung
- Erwerbstätigkeit ist leicht gestiegen: Mehr als zwei Drittel der Studierenden (69%) sind erwerbstätig (2019: 65%). Ihr Arbeitspensum beträgt 21 Stunden pro Woche und liegt damit um eine halbe Stunde höher als 2019.
- Zwei mögliche Ursachen: 1. Mehr junge Studierende sind erwerbstätig (Anstieg Erwerbstätigkeit seit 2019 unter 21 Jahre +6%-Punkte über 26 Jahre +2%-Punkte). 2. Früherer Berufseinstieg von Lehramtsstudierenden: Aufgrund des erhöhten Lehrkräftebedarfs ist das Erwerbsausmaß bei Lehramtsstudierenden besonders gestiegen (+7%-Punkte) Stichwort: Berufseinstieg vor Abschluss des Masterstudiums
- Erwerbsmotive: Studierende geben 2023 häufiger als 2019 an, sich „mehr leisten“ (+6%-Punkte, 71% 2023 vs. 65% 2019) bzw. Berufserfahrung sammeln zu wollen (+4%-Punkte). Das am häufigsten genannte Motiv für eine studentische Erwerbstätigkeit, die finanzielle Notwendigkeit, ist ebenso gestiegen (+3%-Punkte, 72% 2023 vs. 69% 2019).
- Höhere facheinschlägige Erwerbstätigkeit: Mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen (55%) bzw. 38% aller Studierenden üben eine Erwerbstätigkeit aus, die laut eigenen Angaben in inhaltlichem Bezug zum Studium steht. Dieser Anteil ist damit seit der letzten Studierenden-Sozialerhebung 2019 um 6%-Punkte gestiegen (2019: 32%).
- Zeitaufwand fürs Studium ist gleichgeblieben: Trotz höherer Erwerbstätigkeit ist der durchschnittliche Zeitaufwand, der pro Woche fürs Studieren verwendet wird zwischen 2009 und 2023 gleichgeblieben: mehr als 30 Stunden (30,9h) pro Woche wenden Studierende für ihr Studium auf. Insgesamt beträgt der durchschnittliche Gesamtaufwand für Studium und Erwerbstätigkeit 48,3 Wochenstunden (vgl. 2019: Ø 43,3h). Eine Erwerbstätigkeit wirkt sich ab einem Ausmaß von 9 Wochenstunden merklich negativ auf den Studienaufwand aus.
Die gute Nachricht: Die Reform und die Erhöhung der Studienförderung zeigen Wirkung.
BMBWF setzte beispiellose Reformen und Unterstützungsmaßnahmen seit 2020.
BMBWF setzte beispiellose Reformen und Unterstützungsmaßnahmen seit 2020.
- Einführung des „neutralen Semesters“ während der Hochphase der Corona-Pandemie und dadurch verlängerte Anspruchsdauer und andere Fristen
- Zweimalige Auszahlung eines Corona-Bonus in Höhe von jeweils 300 Euro an alle Studienbeihilfenbezieherinnen und -bezieher
- Anhebung der Zuverdienstgrenze um 50% auf 15.000 Euro im Jahr 2020, gefolgt von ihrer jährlichen Inflationsanpassung (rückwirkend ab 2024). Sie macht damit heuer 16.455 Euro aus, um 9,7% mehr als bisher.
- Umfassende Reform der Studienförderung 2022 und dadurch bedingte Erhöhung um bis zu 12% samt Umstellung auf ein einfacheres Berechnungsmodell inkl. Erhöhung der Altersgrenzen um drei Jahre
- Nach Befragungszeitraum der SOLA und daher in seiner Wirksamkeit in den Befragungsergebnissen nicht abgebildet: Jährliche Valorisierung der Studienbeihilfe (und der Familienbeihilfe) ab 2023, die zu einer Erhöhung um knapp 6% und um knapp 10% führte.
- Im Berichtszeitraum (2018 bis 2023) stiegen die Sozialaufwendungen für Studierende um 14,3%, die durchschnittliche Studienbeihilfe erhöhte sich um 19%. Mit 7.153 Euro ist die durchschnittliche Studienbeihilfe derzeit so hoch wie nie zuvor.
- 55% der Studierenden beziehen Förderungen oder finanzielle Unterstützung
3. Wellbeing & Gesundheit der Studierenden: Förderung der Unterstützungsangebote und der Gesundheitsförderung
Selbsteinschätzung des allgemeinen Gesundheitszustands von Studierenden
Selbsteinschätzung des allgemeinen Gesundheitszustands von Studierenden
- Drei Viertel aller Studierenden bewerten ihren allgemeinen Gesundheitszustand als sehr gut oder gut (73%; unter 30-Jährige: 75%), rund ein Viertel schätzt diesen als mittelmäßig bis sehr schlecht ein (27%; unter 30-Jährige: 25%). Damit ähnelt die Einschätzung der Studierenden stark jener der vergleichbaren österreichischen Gesamtbevölkerung.
- SOLA 2023 enthält erste Skala zur Messung des Wohlbefindens der Studierenden nach dem Well-Being Index der Weltgesundheitsorganisation: Dabei stufen die Studierenden ihr Wohlbefinden entlang von fünf Aspekten (siehe nachfolgende Grafik) auf einer sechsstufigen Skala ein. Für 57% der Studierenden kann daraus ein sehr gutes bzw. zufriedenstellendes Wohlbefinden abgeleitet werden.
- Ein Fünftel (21%) der Studierenden gibt an, unter studierendenerschwerenden Beeinträchtigungen zu leiden. Das ist deutlich mehr als 2019 (12%), deckt sich aber mit dem Befund des Austrian Health Reports, wonach rund ein Viertel der 16- bis 29-Jährigen der österreichischen Gesamtbevölkerung ihren Gesundheitszustand nach der Corona-Pandemie schlechter bewertet als zuvor.
- Ausbau Psychologische Studierendenberatung: Aus diesem Grund hat das BMBWF auch das Unterstützungs- und Beratungsangebot der Psychologischen Studierendenberatung massiv ausgebaut. Ab 2021 stellt das BMBWF dafür jährlich 1 Mio. Euro für zusätzliches Personal (= 19 zusätzliche Psychologinnen und Psychologen), aber selbstverständlich auch für die benötigten Räumlichkeiten (Adaptierung von Räumen, Mobiliar) und die technische Ausstattung (Dienst-Laptop und Handy) zur Verfügung. Die Personalsteigerung macht damit 40% aus, die bis heute nachwirkt.